Die Gelegenheit, noch weitgehend ungestört von formalen Grenzprotokollen Großbritannien zu besuchen, nutzten in der zweiten Septemberwoche die drei Klassen der Jahrgangsstufe 13 des Beruflichen Gymnasiums für Informatik und für Wirtschaft und Verwaltung. 45 Schülerinnen und Schüler machten sich mit einem knallgelben Bus (nicht Gummiboot!) auf in Richtung Canterbury im Süden Englands.
Am Montagmorgen ging es los. Pünktlich um 8:00 Uhr bog der heißersehnte Reisebus auf den Parkplatz des Stadtbades Datteln ein und sammelte die drei Klassen, vier Lehrkräfte sowie jede Menge Gepäck ein – schließlich war Selbstversorgung angesagt und so manche Nudelpackung musste mit auf Reisen.
Die Fahrt durch Holland, Belgien und Frankreich verlief gut gelaunt und staufrei, erst am Hafen in Calais wurde es wieder spannend: Würden alle Schülerinnen und Schüler die Passkontrolle überstehen? Waren alle Dokumente vollständig? Würde der Bus auf uns warten? Und in welcher Sprache erfolgte die unverständliche Lautsprecherdurchsage? Keine Probleme - außer bei der Sprache - und ab ging es auf die Fähre. Hier wurden bereits erste Euro in Pfund getauscht, die Gesichter in die Meeresbrise gehalten und die eine Lehrkraft kritisch beäugt, die etwas grün um die Nase wurde.
90 Minuten später befuhren wir schon britischen Boden und schaukelten – irgendwie auf der falschen Seite, das Gefühl legte sich geschlagene fünf Tage nicht – Richtung Kent University in Canterbury. Der klassenreisenerfahrene Busfahrer legte noch einen Stopp am lokalen Supermarkt Sainsbury’s ein, wo alle Reisenden ihre Vorräte erleichtert aufstockten – das Frühstück am nächsten Morgen war gerettet. Der Check-in auf dem Campus der Universität in den relativ frisch renovierten Studentenwohnungen verlief ungewohnt problemlos und erste Begeisterungsausbrüche zeugten davon, dass sich sechs junge Damen pro Wohneinheit vor einem gemeinsamen Bad doch eher gefürchtet hatten. Ein Bad pro Einzelzimmer – da konnte man sich nur noch über den sehr seltsamen Feueralarm in jeder Wohnung beschweren, der schon nach mehrsekündigem Offenhalten der Küchentür fröhlich zu kreischen begann. Um einen gallischen Krieger zu zitieren: „Die spinnen, die Briten!“
Am nächsten Morgen – nun ja, am frühen Mittag – ging es in das malerische Fischerdörfchen Whitstable, der Heimat der Whitstable Oyster Company, wo spaziert, geshoppt und geschlemmt werden konnte. Die Lehrkräfte fanden es ausgesprochen gelungen, die Schülerinnen und Schüler – hielten sich vornehm zurück. Und waren lange vor den zwei Lehrerinnen und zwei Lehrern am vereinbarten Abholpunkt, den unser gelber Blitz immer auf der Gegenverkehrsseite ansteuern musste, damit niemand beim Aussteigen unter die Räder kam. Die kleinen Besonderheiten in einem Land mit Linksverkehr, der - wie später bei der Stadtführung erklärt wurde – natürlich der einzig wahre und ursprünglich auch weltweit richtige war. Well.
Am Mittwoch lockte zwar nicht das Wetter, aber London is always a good idea – da stört auch kein Nieselregen. Mit U-Bahn-Tickets ausgestattet verteilten sich die Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen über die Stadt, um ganz nach Geschmack bummeln zu gehen oder Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Großes Gejohle dann am Abend – die Lehrkräfte hatten den selbst festgelegten Zeitplan nicht eingehalten und kamen 10 Minuten zu spät am Bus an. (Es konnte ja auch keiner ahnen, dass das Konzert an der O2-Arena, an der der Bus auf uns gewartet hatte, zu derartig vollen Zügen führen würde. Ähem.) Der Stimmung tat es keinen Abbruch, alle waren begeistert vom Besuch der Weltstadt London.
Der Donnerstag lockte mit blauem Himmel, kurze-Hosen-Temperaturen und offiziellem Programm. Die beiden älteren Herren, die zwei Gruppen kreuz und quer durch Canterbury führten, erlaubten alternativ kurze Einblicke in die Welt von Harry Potter, den Herrn der Ringe, Babynahrung im Mittelalter (Cider!), Gewissensentscheidungen der Feuerwehr bei Brandfällen sowie Bestrafungen von redewütigen Ehefrauen und beantworteten direkt vor der eindrucksvollen Canterbury Cathedral - Mother Church of the worldwide Anglican communion letzte Fragen. Die beiden Gentlemen hatten gute Nerven, noch besseres Englisch, beste Laune und ein beeindrucktes, wenn auch ein wenig müdes Publikum.
Nach der Möglichkeit zum Stadtbummel – der angepriesene Primark entlockte den BWL-geschulten Schülerinnen und Schülern nur ein grimmiges Augenbrauenrunzeln – ging es noch zur Historic River Tour. In kleinen Booten wurden wir gefühlte 50 Meter stromauf- und dann wieder abwärts gerudert, was jedoch durch die malerische Aussicht und den sehr witzig wie informativ gestalteten Ausflug in die Landeskunde mehr als wett gemacht wurde. Beide Programmpunkte kamen gut an – selten genug, die Lehrkräfte waren erleichtert.
Zu erwähnen wäre noch, dass die bei den Minderjährigen zur vorgegebenen Uhrzeit angeforderte Standortmeldung per App zum einen an einem richtigen Handy (kein Smartphone!) scheiterte, zum anderen mal wieder bewies, dass unsere Schüler echte digital natives sind. So grüßte ein Schüler zur geforderten Uhrzeit pünktlich aus London und zwei Minuten später vom roten Platz in Moskau, bestaunte am nächsten Abend die Polarlichter in Norwegen und hielt sich am Donnerstag gleichzeitig in Vancouver wie auch in Canterbury auf – stand eine Lehrkraft doch interessiert an seiner Seite, als er die Standortmeldung verschickte.
Freitag – Rückfahrt in die Heimat war angesagt. Nachdem auch der letzte Schüler, der seinen Wecker nicht gehört hatte, endlich im Bus saß und ein verschwundenes Portemonnaie samt Ausweis (die Grenzkontrolle!) wieder aufgetaucht war, ging es flugs Richtung Dover. Kurze Anspannung ob einer möglichen Koffer- und Personenkontrolle – dann saßen wir nach angenehmer Überfahrt schon wieder im Bus und düsten Richtung Datteln. Ganze 90 Minuten zu früh konnten die Eltern, Freundinnen und Freunde sowie Hunde die offensichtlich stark vermissten Schülerinnen und Schüler wieder in Empfang nehmen.
Wir Lehrkräfte bedanken uns bei den Schülerinnen und Schülern der DIT13A, DW13A und DW13B für eine quasi-Verlängerung der Sommerferien. DANKE! Wir hatten mal wieder eine entspannte Stufenfahrt – das Abitur kann kommen.
P.S.:
O Captain! my Captain! our fearful trip is done;
The ship has weather’d every rack, the prize we sought is won;
The port is near, the bells I hear, the people all exulting,
While follow eyes the steady keel, the vessel grim and daring:
But O heart! heart! heart!
O the bleeding drops of red,
Where on the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.
Walt Whitman (1819–1892)
P.P.S.:
Wurde eigentlich der Hunting Master abgeholt?